Gesundheit
Qualzucht bei Hunden - wie ist das möglich?
In unserer Gesellschaft werden Hunde immer mehr als modische Ware gesehen, die ständig neu, exotisch, bizarr kreiert werden soll, damit sie auffällt. Insbesondere in den Social Media-Kanälen werden exotische Qualzuchten respektlos angezogen, mit Burgern gefüttert und tierquälerisch gehalten, aber von vielen Menschen bejubelt. Wie kann das sein? Wieso bekommen die Hunde keinen Schutz und Respekt?
Tierschützer und Tiermediziner schlagen zu Recht Alarm. Sie sehen immer häufiger röchelnde und kollabierende Hunde, schwankende und lahmende Hunde und solche, denen die Augen aus dem Kopf fallen. Doch es geht noch weiter: Hunde, die aufgrund ihrer Genetik an Narkosen oder an Zeckenmittel versterben. Taube Hunde, die keiner aus dem Heim nehmen möchte. Schmerzende Arthrosen bereits bei Junghunden, kaputte Organe per Geburt. Qualzucht bei Hunden kommt leider immer häufiger vor. Die Hundezucht nimmt seit den 1970er Jahren bei immer mehr Hunderassen ungesunde Formen an. Diese letzten 50 Jahre Zuchtgeschichte haben viele Hunderassen zu Krüppeln gemacht.
Doch das wirklich Schlimme daran ist, dass Qualzucht überall zu finden ist. Sie ist sowohl bei anerkannten Rassehundevereinen als auch bei jenen Züchtern von Rassehunden oder auch Hybridhunden zu finden, die keiner Vereinigung angehören und "privat" oder aus Hobby züchten. Besonders häufig ist Qualzucht ein Thema bei Rassehunden der Hundemafia. Kurz: du kannst Qualzuchten von Hunden überall begegnen. Aber warum ist dies nicht verboten und was kann ich dagegen tun?

Definition von Qualzucht
Was genau bedeutet Qualzucht von Hunden?
Qualzucht bezeichnet die Züchtung von Hunden, die Merkmale in der Zucht erlaubt oder sogar fördert, die für den Hund mit Leiden und Schmerzen oder auch mit Verhaltensstörungen verbunden sind. Diese leidvollen und krankhaften Merkmale werden von Generation zu Generation weitergegeben. Kranke oder behinderte Tiere werden absichtlich gezüchtet.
So kommt es zu Qualzuchten trotz Rassestandards bei Hunden
Für viele Züchter bedeutet der Fokus auf eine gesunde Zucht finanzielle Einbußen, da sie die Elterntiere vielfältigen und auch kostspieligen Untersuchungen unterziehen müssen. Diese Untersuchungen und Tests kosten Zeit und Geld. Wird eine Krankheit gefunden, müssten diese Hunde aus der Zucht genommen werden. Erbkrankheiten und ungesunde, aber häufig sehr nachgefragte äußerliche Merkmale dürften dann nicht mehr gezüchtet werden. Doch was trendy ist, wird gezüchtet. Man möchte meinen, dass Züchter in offiziell anerkannten Verbänden entsprechenden Regeln unterliegen, die auf eben diese Gesundheit achten. Doch leider ist dies nur bedingt der Fall.
Zur Zuchtzulassung in den deutschen Hundevereinen wie dem VDH müssen Rassehunde ausgestellt werden. Für jede Hunderasse gibt es offizielle FCI-Rassestandards, die die Merkmale der Rasse genau beschreiben. Doch leider helfen diese nicht der Gesundheit der Tiere, denn es gibt:
- Starke Übertreibung der Rassestandards
Zuchtrichter und Züchter haben Rassestandards der Zuchtorganisationen extrem übertrieben. Sie haben die Hunde sehr fokussiert auf bestimmte äußerliche Merkmale wie besonders kleine Chis oder besonders große Doggen gezüchtet. Dabei werden gesundheitliche Aspekte bei den Zuchtrichtern komplett vernachlässigt. - Ignorieren von Rassestandards
Rassestandards wurden teilweise sogar komplett ignoriert. Bestes Beispiel ist der Mops, der schon lange nicht mehr den eigentlichen Vorgaben des Rassestandards entspricht. Aber der Mops war nun einmal gefragt und profitgierige Züchter innerhalb und außerhalb der Zuchtorganisationen haben ihn so gezüchtet, wie sie ihn am besten verkaufen konnten. - Ungesunde Merkmale in Rassestandards
Einige Standards von Hunderassen enthalten bereits krankhafte Merkmale und beschreiben sie. Beim Schäferhund soll beispielsweise der Rücken laut Standard und Zuchtrichtern immer noch abfallen, obgleich er zu starken Problemen der Hüfte und der Wirbelsäule führt. Bei der Französischen Bulldogge wird eine Korkenzieherrute toleriert, die zu Problemen in der Bewegung und Kommunikation des Hundes führt und beim Bluthund sind es die hängenden Unterlider, die zu Augenkrankheiten führen. - Inzucht wird durch Zucht und Zuchtrichter gefördert
Überproportional häufige Erbkrankheiten werden durch einige wenige, ungesunde, aber in Zuchtausstellungen hochprämierte Hunde gefördert. Werden immer wieder Rüden mit äußerlich gewünschten Merkmalen aber vielen Krankheiten auf Zuchtschauen prämiert, so möchten viele ihre Hündinnen von diesen Rüden decken lassen. Gleichzeitig verdienen die Besitzer der prämierten Rüden viel Geld mit ihnen. Dadurch wird die Zuchtbasis kleiner, der Inzuchtkoeffizient steigt. So können ganze Hunderassen wie z.B. der Dobermann mit einer tödlichen Herzkrankheit fast zerstört werden. Oder fast alle Bulldoggen lassen sich auf 68 Individuen zurückführen. Da ist der Genpool klein und die Gefahr von Inzucht und Übertragung von Krankheiten groß. Doch nur wenige Zuchten achten auf einen Inzuchtkoeffizienten. - Profit lockt: Die Nachfrage bestimmt das Geschäft
Viele Qualzuchten sind besonders nachgefragt. Denn sie bedienen das Kindchenschema und sind besonders klein, gedrungen, kurzschnäuzig mit großen Augen und niedlich und sie liegen im Trend der Social Media Stars. Das betrifft viele Rassen und leider auch immer mehr. Aufgrund von Werbung mit kranken Tieren wie Bulldoggen, aufgrund von Prominenten wie David Beckham und Lady Gaga steigt die Nachfrage nach ungesunden Zuchten. Und viele Züchter bedienen diese Nachfrage ohne auf die Gesundheit der Tiere zu achten. Gleichzeitig kaufen viele Menschen ohne sich zu informieren diese Hunde.
Der Verband für das Deutsche Hundewesen e.V. (VDH) ist für die deutsche Hundezucht innerhalb der größten Weltorganisation für Hundezucht, der FCI (Fédération Cynologique Internationale) in Deutschland zuständig. Hier werden die Rassestandards aufgestellt, doch wurden erst spät und viel zu wenig Gegenmaßnahmen ergriffen. Mindestgrößen, Belastungstests bei kurzköpfigen Rassen und Hüftuntersuchungen haben in einigen Zuchtvereinen des VDH zu Verbesserungen geführt.
Sicherlich haben sich auch einige seriöse Züchter schon immer um eine gesunde Zucht bemüht. Doch sind die Gegenmaßnahmen nicht ausreichend und es gibt Züchter, die diese sehr großzügig auslegen. Ein noch relativ junger Hundeverband ist ausgeschert: Der Internationale Hunde Verband (IHV) stemmt sich gegen krankmachende Zuchtpraktiken und damit auch gegen den VDH. Es gibt somit auch seriöse Züchter, die die Praktiken einer kranken und extremen Rassezucht in den Verbänden ablehnen und daher nicht diesen Verbänden angehören. Oder Züchter, die die von ihnen geliebte Rasse unter Einkreuzung anderer Hunderassen gesünder züchten möchten.
Doch gibt es auch zu bedenken, dass ca. 90% der reinrassigen Qualzuchten in Deutschland gar nicht von den offiziellen Zuchtverbänden des VDH stammen, sondern von privaten "Hobbyzüchtern" oder vielmehr noch von kriminellen und tierquälerischen Profiteuren aus dem Ausland, die aus gutem Grund die Auflagen des VDH und der Zuchtverbände meiden.
Qualzucht ist eigentlich verboten – dies sagt das Tierschutzgesetz
In der EU ist genau geregelt, dass bei der Zucht von Hunden auf Gesundheit und Wohlbefinden der Tiere zu achten ist:
„Wer ein Heimtier zur Zucht auswählt, ist gehalten, die anatomischen, physiologischen und ethologischen Merkmale zu berücksichtigen, die Gesundheit und Wohlbefinden der Nachkommenschaft oder des weiblichen Elternteils gefährden könnten"
(Quelle: Sammlung Europäischer Verträge, Nr. 125, "Europäisches Übereinkommen zum Schutz von Heimtieren", 1987, Kapitel 2, Artikel 5)
Im deutschen Tierschutzgesetz ist das Wohl von Tieren ebenfalls geregelt:
"Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen."
(Quelle: §1 BGBI, Artikel 141)
Der sogenannte Qualzuchtparagraf 11b des deutschen Tierschutzgesetzes verbietet Qualzucht:
"(1) Es ist verboten, Wirbeltiere zu züchten oder durch biotechnische Maßnahmen zu verändern, soweit im Falle der Züchtung züchterische Erkenntnisse oder im Falle der Veränderung Erkenntnisse, die Veränderungen durch biotechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass als Folge der Zucht oder Veränderung
- bei der Nachzucht, den biotechnisch veränderten Tieren selbst oder deren Nachkommen erblich bedingt Körperteile oder Organe für den artgemäßen Gebrauch fehlen oder untauglich oder umgestaltet sind und hierdurch Schmerzen, Leiden oder Schäden auftreten oder
- bei den Nachkommen
a) mit Leiden verbundene erblich bedingte Verhaltensstörungen auftreten,
b) jeder artgemäße Kontakt mit Artgenossen bei ihnen selbst oder einem Artgenossen zu Schmerzen oder vermeidbaren Leiden oder Schäden führt oder
c) die Haltung nur unter Schmerzen oder vermeidbaren Leiden möglich ist oder zu Schäden führt.
(2) Die zuständige Behörde kann das Unfruchtbarmachen von Wirbeltieren anordnen, soweit züchterische Erkenntnisse oder Erkenntnisse, die Veränderungen durch biotechnische Maßnahmen betreffen, erwarten lassen, dass deren Nachkommen Störungen oder Veränderungen im Sinne des Absatzes 1 zeigen werden.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht für durch Züchtung oder biotechnische Maßnahmen veränderte Wirbeltiere, die für wissenschaftliche Zwecke notwendig sind.
(4) Das Bundesministerium wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates
1.die erblich bedingten Veränderungen und Verhaltensstörungen nach Absatz 1 näher zu bestimmen,
2. das Züchten mit Wirbeltieren bestimmter Arten, Rassen und Linien zu verbieten oder zu beschränken, wenn dieses Züchten zu Verstößen gegen Absatz 1 führen kann."
(Quelle: Tierschutzgesetz, § 11b)
Doch leider wird dieser Paragraph praktisch nicht vollzogen. 1999 wurde ein Gutachten zur Auslegung des Paragraphen veröffentlicht, um den Vollzugsbehörden eine Orientierung zu geben. Doch dieses ist leider nicht rechtsverbindlich. Obwohl viele Zuchten in den Rassestandards oder mit den überzüchteten und kranken Tieren gegen das Gesetz verstoßen, werden Zuchtziele, Rasseverfahren und Ausstellungen nicht konsequent verändert.
Es gibt zwar erste zögerliche Änderungen in den Zuchtvereinen, doch die breite Masse der verkauften Qualzuchten stammt noch nicht einmal aus den Hundezuchtverbänden. Manche Züchter der Rassehundevereine haben sehr zum Unwohl der Hunde auf extreme und ungesunde Rassemerkmale gezüchtet. Viele davon wurden bei den Zuchtausstellungen und Shows prämiert, während gesündere Hunde keine Chance hatten, sich durchzusetzen.
Maßnahmen zur Bekämpfung von Qualzucht und Erbkrankheiten bei Hunderassen
Es gibt bereits den Qualzuchtparagrafen, aber die Kriterien müssten näher ausdefiniert und auch geahndet werden. Die Tierärzte und der Tierschutz fordern folgende Maßnahmen:
- Die Einführung einer generellen Hundezucht-Meldepflicht in Deutschland: Diese Meldepflicht soll alle Zuchten einschließen, ganz gleich ob privat oder gewerblich gezüchtet wird.
- Konsequenter Zuchtausschluss von mit Erbkrankheiten oder von extremen Qualzuchtmerkmalen betroffenen Tieren und wenn nötig auch deren Eltern.
- Rassespezifische Gesundheitsuntersuchungen vor Zuchtbeginn eines jeden Tieres und nach Aufkommen von gesundheitlichen Problemen der Welpen dieser Tiere. Stärkere Berücksichtigung tierärztlicher Untersuchungsbefunde bei Zuchttauglichkeitsprüfungen und Schauen. Selbstverständliche Untersuchungen wie:
- Röntgen
- CT
- MRT
- Planmäßige Nutzung von Gentests zum Ausschluss von Erbkrankheiten für den Zuchtausschluss und zur Zulassung zur Zuchttauglichkeit.
- Einschränkung von Inzucht: Durch Ermittlung von sogenannten Inzuchtkoeffizienten kann die derzeit stattfindende Inzucht eingegrenzt werden.
- Abkehr von extremen Körpermerkmalen in den Zuchtstandards.
- Förderung einer gezielten Kreuzungszucht zur Gesundheit einiger Rassen. Beste Beispiele hierfür sind Retro-Möpse.
Die Bildung folgender Organisationen könnten hilfreich sein:
- Bildung einer interdisziplinären Kommission zur Überprüfung der Rassestandards und Zuchttauglichkeitsprüfungen. Als besonderer Schwerpunkt werden hier "Brachycephale Rassen" angegeben.
- Meldesystem für Tierarztpraxen für die Ermittlung von genetisch bedingten Erkrankungen in den einzelnen Rassen.
- Internationale Abstimmung der Rassestandards unter stärkerer Berücksichtigung von Gesundheitskriterien und extremen Rassemerkmalen.
Blick auf andere europäische Länder, die bereits weiter als wir sind
Die Niederlande haben 2019 ein Gesetz herausgebracht, das das Züchten von Hunderassen mit angezüchteten Behinderungen verbietet und haben einen Fokus auf kurzköpfige Hunderassen mit Atemnot. Es werden Hunde, deren Nase nicht mindestens ein Drittel der Kopflänge ausmacht, verboten. Anhand von Kontrollen soll dieses Gesetz auch durgesetzt werden.
In Österreich regelt der §5 des Tierschutzgesetzes, dass die Zucht, der Erwerb und die Ausstellung von Qualzuchten ist verboten. Im Gesetz werden diese Merkmale auch genannt.
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